Oberschwaben – Es ist so weit, das große Jubiläum wirft seinen Schatten voraus. „500 Jahre Bauernkrieg“ wird im nächsten Jahr das historische Großereignis. Zurecht, denn mit den „Zwölf Artikel“, verfasst im März 1525 in der Kramerzunft in Memmingen, forderten die aufständischen Bauern erstmals in der Geschichte Menschen- und Bürgerrechte. Diese „Ungeheuerlichkeit“ entsprang der feudalen Diktatur und stellte sie radikal in Frage. Jede Geschichte hat ihre Geschichte, so auch der Bauernkrieg. Diesen und seine Vorgeschichte mit dem Wissen von heute abzubilden, ist eine Herausforderung, an der sich viele mühen.
In Stuttgart hat die Große Landesausstellung „PROTEST! Von der Wut zur Bewegung“ und die Mitmachausstellung „ZOFF!“ für Kinder und Familien vor wenigen Tagen (aber nach Redaktionsschluss) ihre Pforten geöffnet. Und im nahen Bayern begann ebenfalls eine Ausstellung, die auf eine der vielen blutigen Schlachten des Bauernkrieges hinweist. Bevor im nächsten Jahr, mit dem Frühling das historische Geschehen vielfältig und vielerorts und weit über das Epizentrum Oberschwaben hinaus zum beherrschenden historischen Thema wird. Und wie immer, wenn es viel zu be- und gedenken gibt, ist neben der Wissenschaft die Kultur und Kunst gefragt und gefordert.
Das ist so in dem kleinen Ort Baltringen, der dem „Baltringer (Bauern-)Haufen“ seinen Namen gab, und wo im März nächsten Jahres eine Skulptur an den vergeblichen Kampf der Bauern um Gerechtigkeit erinnern soll. Der Künstler Gerold Jäggle ist derweil in seinem Atelier in Ertingen fleißig dabei, noch aus Styropor und Gips ein rund vier Meter hohes Modell zu kreieren, das zeigen soll, „wie sich der dynamische Lauf der Geschichte auf die Handelnden auswirkt, wie sie ergriffen werden von den sich überschlagenden Ereignissen und am Ende unterliegen“, erklärt der Bildhauer in seiner Werkstatt. Initiator und Auftraggeber ist der Heimatverein „Baltringer Haufen – Freunde der Heimatgeschichte e.V.“, dessen Mitglieder sich um das historische Erbe des Schmieds von Sulmingen, Ulrich Schmid, bemühen – nicht erst jetzt, sondern schon seit 1997. Der Künstler hat noch gut zu tun, und wir werden weiter berichten.
In Wolfertschwenden, südlich von Memmingen bei Bad Grönenbach gelegen, hat man in diesen Tagen schon eine Kunstinstallation zur Erinnerung an eine Schlacht im Bauernkrieg der Öffentlichkeit präsentiert.
Die Historie: Am 11. Juli 1525 traf Truchsess Waldburg von Zeil mit 6000 Landsknechten und 1500 Reitern in Wolfertschwenden ein. Ihm gegenüber an der anderen Seite des Hügels warteten 3000 bewaffnete Bauern, die an der Grenze des Allgäus lagerten. Noch am selben Abend kam es bei Schrattenbach zu einem ersten Gefecht. Friedensverhandlungen scheiterten. Die Hauptsorge von Waldburg war, dass sich die Bauern in das Hochgebirge zurückziehen könnten. In diesem Fall war er entschlossen, die Frauen und Kinder der Bauern zu verjagen und ihre Behausungen und Hofstätten niederzubrennen. Der Hilferuf der Allgäuer an den Seehaufen war mit Ablehnung quittiert worden. Der Seehaufen wollte den Weingartner Vertrag nicht brechen. Auch andere Allgäuer Teil-Haufen, wie der Pfrontner und der Obergünzburger Haufen, wollten den versammelten Allgäuer Bauern nicht beistehen. (Der Baltringer Haufen war bereits Anfang April bei Leipheim geschlagen worden.) Und als am 13. Juli die Frundsberg’schen Truppen das Heer des Truchsess verstärkten, begann die Entscheidungsschlacht an der Leubas, bei der die Bauern in die Flucht geschlagen wurden.
Die skulpturale Intervention „Lanzenfeld“ des Künstlers Raimund Schucht lädt die Betrachtenden dazu ein, in die tumultartige Atmosphäre des Bauernaufstands im Jahr 1525 einzutauchen. In militärischer anmutender Formation erheben sich 75 abstrakte Lanzen aus dem Erdreich. Die Lanzen ragen wie die Spieße der zu Fuß kämpfenden Landsknechte vertikal zum Himmel. Horizontal scheinen die Lanzen der berittenen Soldaten den Betrachtenden entgegenzufliegen. Landsknechte und Reiter waren gekommen, um die Bauern niederzuschlagen. Jede einzelne Lanze verkörpert die Gewalt, mit der die Freiheitskämpfer verfolgt wurden. Die Schlacht an der Leubas besiegelte die Niederlage der Bauern.
Zurück nach Baltringen, wo am 16. November, 16 Uhr, in der Mehrzweckhalle die Eröffnung der Tafelausstellung „Vom Anfang bis zum Ende – Köpfe des Bauernkrieges 1525“, eine Ausstellung in Biografien, beginnt und von dort am 17. November im Rathaus in Laupheim Station macht (14 bis 17 Uhr). Zur Eröffnung in Baltringen hält Dr. Susanne Kimmig-Völkner von den Mühlhäuser Museen einen Vortrag zu „Thomas Müntzer, Huldrich Zwingli, Christoph Schappeler – wie die Theologie die Bauern einte“. Musikalische Umrahmung: Musikverein Baltringen.
INFO:
„Unterwerfung, Verrat oder Friedensmodell?“ lautet der Titel einer öffentlichen Veranstaltung zum Weingartener Vertrag von 1525, zu dem die Stadt und die Gesellschaft Oberschwaben einladen. Der Themenabend mit Vortrag und Diskussion findet am 4. November um 18 Uhr in der Aula der Pädagogischen Hochschule Weingarten statt.
Autor: Roland Reck