Oggelshausen – Seit über 50 Jahren stehen in der Federseelandschaft bei Oggelshausen eigenwillige Steinmale, die von bedeutenden Bildhauern aus fünf Ländern und drei Kontinenten geschaffen wurden. 2000 kamen weitere zehn Werke hinzu. Die Skulpturen haben nichts an Faszination eingebüßt.
Die Initiatoren der „Symposium“ genannten Bildhauerwerkstatt waren der Wiener Bildhauer Karl Prantl und der Biberacher Arzt Dr. Gustav Laib (Vater des international renommierten Künstlers Wolfgang Laib). Sie wollten Kunstschaffenden ermöglichen, frei von Vorgaben eines Auftraggebers ihre Skulpturen in freier Landschaft wirken zu lassen.
Vom 17. September bis 15. Oktober 2000, 30 Jahre nach der ersten Veranstaltung, fand ein zweites Symposium statt. Zehn Bildhauer aus fünf Ländern reisten an. Im Gegensatz zu den ersten beiden Symposien 1969 und 1970 benutzten die Künstler 2000 Strom und Technik im Gelände. Aufgrund des technischen Equipments waren die Bildhauer und Bildhauerinnen in der Lage, den Naturstein schneller und detaillierter zu bearbeiten. Als Material wurde stets Muschelkalkstein aus dem Steinbruch der Firma Lauster und Co. in Gauingen verwendet. Die Steine des ersten Symposiums im Wert von rund 80.000 DM spendete die Firma. Die Stelen hatten die Grundmaße 120 auf 135 Zentimeter und waren 380 bis 450 Zentimeter hoch, zudem gab es eine stehende Scheibe und eine Stele mit dem Grundmaß150 auf 150 Zentimeter. Die Skulpturen wurden Eigentum der Künstler, die sich verpflichteten, diese am Ort zu lassen und nicht zu veräußern. 1969 wurden 12 Steine aufgestellt, von denen zunächst zehn bearbeitet wurden. Zwei Bildhauer aus der Sowjetunion erhielten keine Ausreiseerlaubnis. Ihre Steine wurden 1970 mit drei zusätzlich aufgestellten Steinen von anderen bearbeitet. Der von den Initiatoren gegründete Verein „Bemühungen“ zahlte den Kunstschaffenden monatlich 700 DM Unkostenersatz. Dabei waren als einzige Frau Maria Biljan-Bilger, Wien, sowie Hiromi Akijama, Tokio, Miloslav Chulàc, Prag, Elmar Daucher, Oggelshausen, Peter Holowka, Wien, Leo Kornbrust, St. Wendel, Yasuo Mizui/Tokio, Karl Prantl, Wien, Zdenek Simek, Prag, uns Obram Zoubek, Prag. 1970 nahmen teil: Kennet Cambell, New York, Makoto Fujiwar, Japan, Herbert George, New York, Takera Narita, Paris und Heinz Pistol, Stuttgart.
Beim Symposium 2000 in Oggelshausen, für das sich insbesondere Oggelshausens Bürgermeister Alois Dangel eingesetzt hatte, waren dabei: Michael Dan Archer/Großbritannien, Patrick Crombé/Belgien, Hans-Michael Franke/Deutschland, Ulrich Gsell/Deutschland, Gerold Jäggle/Deutschland, Marit Lyckander/Norwegen, Josef Nadj/Deutschland, Irma Ortega Pérez/Spanien, Axel Otterbach/Bad Waldsee, Peter Randall-Page/Großbritannien.
Zu beiden Symposien sind informative Broschüren im Rathaus in Oggelshausen bei Martina Kapitel erhältlich. Die Broschüre zum Symposium 1969 – 1970 kostet vier Euro, die zum Symposium 2000 acht Euro. Die überaus freundliche Vorzimmerdame des Bürgermeisters berichtet, dass während des Sommers immer wieder Interessenten vorbeikämen. Vor zwei Jahren sei auch ein japanischer Bildhauer vom ersten Symposium zu Besuch gewesen. Es sei keinesfalls im Interesse der Künstler, eine Touristenattraktion aus den Skulpturen zu machen. Die Magie würde sich eher bei Zufallsbegegnungen in der Natur entwickeln. Die Idee, etwa QR-Codes an den Kunstwerken anzubringen, stehe jedoch weiter im Raum, ist man sich des künstlerischen Eldorados vor der Haustür doch durchaus bewusst.
Der Seniorchef des Gasthauses zum Löwen in Oggelshausen Anton Dangel (85), Schwager des bei den ersten Symposien unterstützenden Bürgermeisters Alois Dangel, hatte schon während des Symposiums von April bis Juni 1969 direkten Kontakt mit den Künstlerinnen und Künstlern. Sie wurden in dem Traditionsgasthaus verpflegt und wohnten teilweise auch dort. Von einem besonders herzlichen Verhältnis zur damaligen Löwenwirtin Maria, Anton Dangels Mutter, wird berichtet, die mit manchen noch lange in Briefwechsel stand. Sie erklärte geduldig, wie man Kartoffelnudeln in Dörrobstkompott eintunkt und freute sich, dass die hungrigen Künstler ihre Hochzeitssuppe liebten. Anton Dangel beobachtete interessiert, wie die Bildhauer ohne Maschinen die mächtigen Steine bearbeiteten. Auf die Frage, wie ihm die Ergebnisse gefallen haben, meint er: „Die Kunstwerke sind meh‘ wie recht!“. Bis vor kurzem führte er noch selbst durchs Skulpturenfeld, doch heute braucht er einen Rollator. An die Zeit der Symposien erinnert er sich gerne und schwärmt von seinem mittlerweile in Tokio verstorbenen Freund Makoto.
Oggelshausen liegt an einer uralten Besiedlungsachse. Archäologische Untersuchungen haben bewiesen, dass schon in der Frühzeit von Italien her über den Arlberg Menschen ins obere Rheintal, von dort weiter zum Bodensee, entlang der Schussen zum Federsee kamen. Die ersten Siedlungs-Zeugnisse wurden an der Schussenquelle gefunden. Das in dieser uralten Kulturlandschaft liegende Skulpturenfeld ist innerhalb der Ortschaft Oggelshausen gut ausgeschildert. Der Wegweisung „Skulpturenfeld“ folgend, gelangt man nach rund zwei Kilometern zu einem Wanderparkplatz am Waldrand. Von hier kann man die Skulpturen erwandern und mit dem Fahrrad besuchen. Hanna Blessing, Partnerin des verstorbenen Künstlers Elmar Daucher, dessen Familie sich heute noch um „die Steine“ kümmert, führt nach Vereinbarung sachkundig durch das Skulpturenfeld. hanna.blessing@gmx.de
Ein beim letzten Symposium entstandenes Werk liegt auf der Gemarkung Bad Buchau. Die Skulptur „Zeitsprung“, eine aufgerichtete Ringform des Bad Waldseer Künstlers und Galeristen Axel Otterbach, schmückt den Eingang der Schlossklink. In der UNESCO-Welterbe-Landschaft des Federseerieds haben sich außergewöhnliche Funde aus 15.000 Jahren Menschheitsgeschichte erhalten. Das Federsee-Museum bietet sehr anschaulich Einblicke in die Welt der Eiszeitjäger der Altsteinzeit und Pfahlbauern der Jungsteinzeit- und Bronzezeit. Direkt am Museum beginnt ein 14 Kilometer langer Rundweg zu den Skulpturen von Oggelshausen. www.ferseemuseum.de. Der Flyer Skulpturenfeld Oggelshausen ist im Museum und bei der Tourist-Info erhältlich.
Wer sich mehr für mittelalterliches Leben interessiert, kann seine Fahrrad-Tour verbinden mit einem Besuch der Bachritterburg Kanzach www.bachritterburg.de. Am 5.und 6. Oktober lässt sich dort wieder farbenfroh authentisches Mittelalter erleben mit der Living-History Gruppe Grifenstain 1270.
Das Skulpturenfeld hingegen entfaltet seinen Reiz rund um die Uhr das ganze Jahr über. Vielleicht am intensivsten, wenn man ganz alleine im Schatten einer Stele sitzt und die Riedlandschaft im Zusammenspiel mit den Kunstwerken in aller Ruhe auf sich wirken lässt.
Autorin: Andrea Reck