Biberach – 175 Jahre alt wird die Feuerwehr Biberach in diesem Jahr. Das Museum Biberach widmet den „Helden des Alltags“ eine eindrucksvolle Sonderausstellung, die Fans jeden Alters anspricht.
Wie Museumleiter Frank Brunecker vermutete, ließen die vielen Besucher der Ausstellungseröffnung am 10. Mai den Spielmannszug der Freiwilligen Feuerwehr Biberach mit Dirigent Daniel Orb nicht ohne Zugabe vom Podium steigen. Verena Fürgut, neue Bildungs- und Kulturreferentin der Stadt, begrüßte Oberbürgermeister Norbert Zeidler, dem die Feuerwehr bekanntlich sehr am Herzen liege. Die Freiwillige Feuerwehr bedeute für eine Kommune zwar hohe Unterhaltungskosten, garantiere aber auch ein hohes Maß an Sicherheit. Menschen jeden Alters seien von der Feuerwehr fasziniert, betonte die Dezernentin, sie schätzten die „Helden des Alltags“. Deutschland sei das Land der Feuerwehren, die Freiwilligkeit sei das herausragende Merkmal. Und: Landesweit sind rund zehn Prozent der Aktiven bei der Freiwilligen Feuerwehr weiblich, in Biberach tun derzeit 27 Frauen Dienst, fügte Fürgut an.
Die am 11. September 1849 gegründete Biberacher Feuerwehr, gehört zu den ältesten Feuerwehren im Land, nur Ulm und Ravensburg waren zwei Jahre früher erfolgreich, ein „Pompier Corps“ (franz. Corps de Pompier) aufzustellen, wie man damals sagte. Aus den Brandbekämpfern sei heute so etwas wie die „Allzweckwaffe unserer Stadt“ geworden, lobte Fürgut. Die Gemeinschaft sei dabei wesentlich für die ungebrochene Attraktion der Feuerwehr. „Brände löschen ist nur noch ein kleiner Teil der Aufgaben. Die Feuerwehr ist Profi in allen Krisenlagen. Sie ist ein Segen für unsere Stadt“, schloss Fürgut und übergab das Wort an den 16. Kommandanten der Freiwilligen Feuerwehr, Florian Retsch.
„Wir haben keine geschichtsträchtige Fahne“, bemerkte er, „wir sind in kommunaler Trägerschaft.“ Er stellte die Frage in den Raum, was jemanden bewege, sich diesem Hobby zu widmen, 70 Stunden Grundausbildung und 200 Stunden drillmäßige Ausbildung auf sich zu nehmen. Freiwillige, die befohlene Maßnahmen umzusetzen haben, erwarteten Respekt und Anerkennung von Führungspersonen. Dabei haben sie den Wunsch, Halt und Sicherheit zu erfahren, Kameradschaft, also Verbundenheit und ein uneingeschränktes Vertrauensverhältnis seien dafür notwendig.
Museumsleiter Frank Brunecker hob an: „Herr Kommandant, mon Général!“, als er auf die Geschichte der Feuerwehr einging beginnend im alten Rom. In den vorwiegend aus Holz gebauten, engen mittelalterlichen Städten schließlich, in denen man tagtäglich mit offenem Feuer hantierte, wurden anfangs Löschrotten eingesetzt, eben keine organisierten Feuerwehren. Das Feuer konnte sich rasend schnell ausbreiten, wie etwa beim Brand 1516, als in Biberach 106 Häuser, darunter der Hospital, in Schutt und Asche gelegt wurden – rund ein Fünftel der Stadt. Danach wurde eine Mannschaft aus Zunftbürgern aufgestellt, die aber etwa beim vom Blitz ausgelösten Brand des Kirchturms 1584 wenig retten konnte. Hätte nicht Regen eingesetzt, wäre es nicht bei den vier Todesopfern geblieben.
Vor 175 Jahren schließlich gab es große technische Erfindungen, in Frankreich wurden militärisch aufgestellte Pompier Corps gebildet. Bald gab es in Deutschland das erste Pompiers Corps im badischen Durlach.
Derartige „Pumpentruppen“ setzten sich vor allem aus Mitgliedern von Turnvereinen zusammen. Oftmals waren es Handwerksgesellen, die den revolutionären Ideen des Vormärz anhingen. Der Biberacher Stadtrat beschaffte damals zunächst einen Rettungsschlauch und überredete 1849 die Turner dazu, diesen zu bedienen: Das war der Anfang der Freiwilligen Feuerwehr, die ihre Freiwilligkeit behalten sollte. Städte konnten sich damals eine Berufsfeuerwehr nicht leisten. Deutschland war anders als Frankreich kein Zentralstaat. Das Bürgertum übte sich in Vereinskultur. In Biberach kaufte man Geräte, wuchs auf über hundert Mann und trennte sich 1854 von der Turngemeinschaft.
Aus dem Pompier Corps wurde „die Feuerwehr“. Brunecker erwähnte die Bombardierung Biberachs 1945, den Mirage-Absturz 1983 und die Hochwasserkatastrophen 2016 und 2021, wo die Feuerwehr stark gefordert war. Drei Todesfälle sind in der Geschichte der Biberacher Feuerwehr zu verzeichnen.
Das bürgerliche Vereinswesen befinde sich heute in einer tiefen Krise, sagte Brunecker. Ausnahmen seien die Freiwillige Feuerwehr, das Rote Kreuz und ähnliche Hilfsorganisationen. Für den Museumskatalog wurden 314 Feuerwehrleute befragt, warum sie bei der Feuerwehr seien. Um Menschen in der Not helfen zu können und die Dankbarkeit der Menschen zu erleben vor allem. Aber auch die Kameradschaft wurde oft genannt. „Feuerwehren zählen zu den besten Einrichtungen im Land“, schloss Brunecker und lud die Gäste zur Besichtigung der Ausstellung. Dort sind Ausrüstungsgeräte zu sehen wie die große mechanische Leiter von 1908, hergestellt von der Biberacher Firma Lieb. Es wird gezeigt, wie sich die Feuerwehrbekleidung im Lauf der Jahrzehnte veränderte. Man darf einige Kleidungsstücke, auch von der Jungfeuerwehr, anprobieren. Kleinere Kinder werden von der Spielecke mit tollen Feuerwehrautos begeistert sein, während größere testen können, wie viel Kraft man für die Druckpumpe braucht.
Zur Ausstellung ist unter dem Titel „Feuerwehr“ ein von Frank Brunecker verfasstes, 176-seitiges Begleitbuch erschienen, das für 19,80 Euro im Museumsshop erhältlich ist.
1965 erfolgte der Umzug vom Feuerwehrhaus Wielandstraße in die Ehinger Straße. 2018 übergab die Stadtverwaltung der Feuerwehr den Schlüssel für den Neubau in der Bleicherstraße mit ausreichend Stellplätzen, Unterrichtsräumen und Werkstätten für die Feuerwehr und die Kreisgerätewerkstatt des Kreisfeuerlöschverbandes.
Eine Besonderheit ist, dass Biberach als eine der sieben Stützpunktfeuerwehren für neun weitere Kommunen (Schemmerhofen, Maselheim, Warthausen, Mittelbiberach, Ummendorf, Hochdorf, Eberhardzell, Attenweiler, Uttenweiler-Ahlen) zuständig ist. Insbesondere durch Sonderfahrzeuge und Sondergeräte kann dabei die Abteilung Biberach eine wertvolle Unterstützung sein, aber auch bei Großunwetterlagen die anderen Feuerwehren unterstützen.
Am Standort Biberach werden 18 Einsatzfahrzeuge vorgehalten, unter anderem ein Hubrettungsfahrzeug, zwei Wechsellader und fünf Löschfahrzeuge. Sondereinheiten sind die Führungsunterstützungsgruppe mit einer Drohneneinheit, der gemeinsam mit der Werkfeuerwehr Boehringer und der CBRN Einheit (chemische, biologische, radiologische und nukleare Substanzen) gestellte Gefahrgutzug des Landkreises, die Feldkücheneinheit zur Verpflegung bei Großschadenslagen sowie die Höhenrettungsgruppe.
Die Jugendfeuerwehr mit 44 Mitgliedern sichert den Nachwuchs und ist wie die Altersmannschaft, die historische Gruppe und der Spielmannszug ein wichtiger Bestandteil der ehrenamtlichen, funktionierenden Freiwilligen Feuerwehr Biberach. Organisatorisch ist die Feuerwehr dem Dezernat I (Oberbürgermeister Zeidler) und somit dem Ordnungsamt angegliedert. Dem Ordnungsamt ist das Sachgebiet Brand- und Bevölkerungsschutz zugeordnet. Hauptberuflicher Kommandant ist seit 2017 Florian Retsch, sein ehrenamtlicher Stellvertreter ist Florian Hofmann.
Die Tätigkeiten und die Aufgaben eines einzelnen Feuerwehrangehörigen sind länderübergreifend in den Feuerwehr-Dienstvorschriften (FwDV) festgelegt. Feuerwehren existieren dabei in verschiedenen Organisationsformen. Neben den kommunalen Formen Freiwillige Feuerwehr (deutschlandweit verpflichtend in jeder Gemeinde vorhanden), Berufsfeuerwehr (in 114 Städten zusätzlich zur dortigen Freiwilligen Feuerwehr vorhanden) und der seltenen Pflichtfeuerwehr (sie wird dann eingerichtet, wenn eine Freiwillige Feuerwehr nicht zustande kommt) werden in Betrieben Werk- oder Betriebsfeuerwehren unterhalten.
Der Kreistag des Landkreises Biberach wählte 2018 die Chemikerin Charlotte Ziller zur Leiterin des Amtes für Brand- und Katastrophenschutz im Landratsamt. Sie ist seitdem auch Kreisbrandmeisterin.
Info: Tag der offenen Tür am Sonntag, 23. Juni, ab 10 Uhr in der Bleicherstr. 46-48 in Biberach.
Autorin: Andrea Reck