Oberschwaben / Weingarten – Um die Sache der Bauern steht es nicht gut im April des Jahres 1525 kurz vor Ostern. Mit der Wut über die erdrückenden Frondienste und der entrechtenden Leibeigenschaft und mit dem Ruf nach Freiheit und Menschenwürde, gestützt auf „die göttliche Gerechtigkeit“, entnommen der Bibel und verfasst in den Zwölf Artikeln in Memmingen, begehrten zig-tausende Bauern nach der Fasnet, die zur Mobilisierung genutzt worden war, gegen ihre Grundherren auf. Und davon gab es viele in Oberschwaben und im Allgäu sowie andernorts: viele Adelshäuser, viele Klöster sowie die Städte mussten ernährt werden und verlangten ihren Tribut.
Um die Pfründe zu sichern, beauftragte der Schwäbische Bund, der Zusammenschluss der Grundbesitzer, den Truchsess Georg III. von Waldburg die aufmüpfigen und marodierenden Bauern, die sich zur „Christlichen Vereinigung“ zusammengeschlossen hatten, zur Räson zu bringen. Als Schlächter der Bauern war der „Bauernjörg“ alsbald gefürchtet. Von Leipheim kommend, wo der Feldherr mit seinen Landsknechten die Bauern des Baltringer Haufens niedergemacht hatte und sie in Ummendorf ein zweites Mal „auf Gnade und Ungnade“ (Hans Ulrich Rudolf) besiegte, ebenso wie kurze Zeit später die Allgäuer Bauern bei Wurzach, war er weiter nach Weingarten gezogen, wo er mit seinem Bundesheer auf die Bauern des Seehaufens stieß. Etwa 12.000 gut bewaffnete Bauern unter ihnen auch angeworbene Landsknechte standen bei Weingarten rund 8000 Söldnern des „Bauernjörg“ gegenüber. Aber statt geschossen, gehauen und gestochen, wurde unterschrieben und besiegelt: der Weingartener Vertrag, der Mitte April 1525 durch Vermittlung von Räten der Stadt Ravensburg zustande kam, verhinderte ein weiteres Gemetzel, aber beendete noch nicht den Krieg.
500 Jahre später will die Stadt Weingarten in Gedenken an die Historie, diese mit einem Denkmal würdigen. Dazu fand unter der Ägide einer Findungskommission ein künstlerischer Wettbewerb statt, den der vorarlberger Künstler Marbod Fritsch unter 19 weiteren Mitbewerbern im November 2022 für sich entschied. Sein Entwurf ist ein Zitat aus dem historischen Vertrag, das da lautet: „Damit Frieden, Ruhe und Einigkeit dauerhaft bewahrt werden, sollen wir …“ Diese Worte sollten, so der künstlerische Gedanke, an eine Hausfront am zentralen Münsterplatz angebracht und mit digitaler Technik zur weiteren Information versehen werden. Diesem Ansinnen setzte der Denkmalschutz ein schnelles Ende. Die geänderte Version soll nun das Zitat in einem kreisrunden Mosaik auf dem gepflasterten Münsterplatz sichtbar machen. Dagegen rührte sich Widerspruch. Der in der Auswahlkommission beteiligte Kunstprofessor Martin Oswald forderte wegen den veränderten Bedingungen eine Neubewertung, aber setzte sich nicht durch. Es bleibt dabei, bestätigt Rainer Beck, Fachbereichsleiter der Stadt Weingarten, das Zitat soll in Stein gefasst werden. Was das Unterfangen allerdings deutlich teurer macht. Sollte der Entwurf ursprünglich weniger als 30.000 Euro kosten und war damit unter allen Modellen auch das günstigste Angebot, werden nun 55.000 Euro veranschlagt, erklärt Beck. Ein Problem mit dem sich der Verein zur Finanzierung des Projekts befassen muss, denn die Stadt ist klamm. Vorsitzender des „Verein zur Förderung eines Denkmals für den Weingartener Vertrag“ ist Rudolf Bindig, SPD-Urgestein und streitbarer Kreisrat, der seine Aufgabe „schwierig“ nennt. Nicht allein wegen der Spenden, die noch eingetrieben werden müssen, es fehlt noch die Hälfte, sondern auch wegen seines Blicks auf die Geschichte. Er zählt sich zu den Kritikern des Weingartener Vertrags, weil er ihn als Verrat an der richtigen Sache betrachtet. Die Bauern des Seehaufens retteten ihr Leben – immerhin oder nicht mehr? -, aber gaben die Forderungen nach Freiheit und Gerechtigkeit auf und, so Bindigs Geschichtsbild, raubten den übrigen Bauern, die noch vielerorts revoltierten den Mut und damit die Kraft. Nach Bindigs Leseart besiegelte der Weingartener Vertrag die endgültige Niederlage der Bauern, denn der Feldzug des „Bauernjörg“ ging gnadenlos weiter. Folglich war das Zitat als Denkmal auch nicht Bindigs Wahl in der Jury. Aber der ehemalige Bundestagsabgeordnete und immer noch aktive Kreisrat akzeptiert das Votum als demokratische Entscheidung.
Nun bekommt der Vereinsvorsitzende ungebeten Schützenhilfe von Seiten eines unstrittigen Experten. Elmar Kuhn, langjähriger Archivar im Bodenseekreis, ausgestattet mit einem Ehrendoktor für seine Forschung nicht zuletzt zum Bauernkrieg, hielt am 7. März diesen Jahres im Rahmen eines mehrtägigen Symposiums – veranstaltet von der hochwohllöblichen Gesellschaft für Oberschwaben (GO), deren Mitbegründer Kuhn ist, mithin vor einem Kennerkreis oberschwäbischer Geschichte – ein Referat zum Stand der Forschung über den Bauernkrieg und brach’ zum Schluss den wissenschaftlichen Stab über die Entscheidung in Weingarten, das Zitat aus dem Vertrag zum Denkmal an den Bauernkrieg zu erheben.
„Es ist beschämend, dass ein Denkmal mit einer solchen Botschaft auf keinen Protest stieß, auch nicht der Gesellschaft Oberschwaben“, spricht Kuhn seine Zuhörer direkt an. „Es wurde argumentiert, es finde sich kein besseres Zitat im Vertrag. Das ist auch kein Wunder. Dieser Vertrag war ein Siegerdiktat, auch wenn er in manchem den Bauern entgegenkam, da ist nicht zu erwarten, dass sich eine positive Würdigung findet. Mit diesem Denkmal, sollte es realisiert werden, stellt sich die Stadt an die Seite des Bauernjörgs und Luthers und sendet eine fatale Botschaft an ihre Bürger.“ Welche? Kuhn: „Das erinnert fatal an die Parole ‚Ruhe ist die erste Bürgerpflicht‘ der preußischen Regierung 1806. Damit werden die Bauern ins Unrecht gerückt, die eben nicht ruhig geblieben sind, sondern für eine menschenwürdige Existenz gekämpft haben. Das ist keine Würdigung, sondern eine Diffamierung.“
Das sieht sein Kollege und ebenso Mitglied in der Gesellschaft Oberschwaben Hans Ulrich Rudolf dezidiert anders. Der emeritierte Professor für Geschichte an der Pädagogischen Hochschule ist Weingartens Heimatforscher und nicht minder Bauernkriegsexperte und würdigt den Weingartener Vertrag in einem Artikel im „Oberland“, 2023, Heft 1, als „einzigartigen Friedensvertrag“. Seine besondere Bedeutung sieht der Historiker nicht in seinen einzelnen Artikeln, deren Bestimmungen den Bauern tatsächlich wenig Erleichterung brachten und im Wesentlichen den alten Status fortschrieben, aber die Tatsache der Verhandlungen und deren Ergebnisse habe trotz aller Abhängigkeit zur „Verrechtlichung“ geführt, was zur Folge hatte, dass „die Missachtung von vertraglichen Rechten durch Herren und Bauern nun gerichtlich eingeklagt werden konnte“. Und „tatsächlich schlossen – wie es der Weingartener Vertrag vorsah – nach 1525 viele Herren Verträge mit ihren Untertanen, in denen sie Leibeigenschaft und Frondienste – teilweise beträchtlich – milderte“, zieht der Wissenschaftler eine positive Bilanz für diesen Vertrag und sein Denkmal.
Über dessen „unterschiedliche Bewertung“ wolle man „in den Dialog mit der Bevölkerung treten“, erklärt Rainer Beck und hofft auf Spenden.
Nähere Informationen gibt es online unter: www.foerderverein-wv.de
Spenden an: Verein zur Förderung eines Denkmals für den Weingartener Vertrag
Kreissparkasse Ravensburg
IBAN: DE76 6505 0110 0101 1788 31
BIC: SOLADES1RVB
Autor: Roland Reck