Skip to main content
Kultur als Protest. Das Ensemble um Theatermacher Peter Schmid zeigt wie‘s geht. Foto: Andrea Reck

Biberach – Protest kann viele Formen haben. Eine besonders originelle erlebte das Publikum eines Theaterstücks just an dem Ort, an dem ein „Baum mit demokratischen Wurzeln“ gepflanzt und alsbald wieder entfernt worden war.

Sie stand nur wenige Monate auf dem umgestalteten Bereich vor dem Gasthof „Zum Goldenen Rebstock“ in der Biberacher Consulentengasse/Wielandstraße: eine kleine Linde. Der ehemalige Grünen-Stadtrat Peter Schmid und Theatermacher („Theater ohne Namen“) schrieb nun über das Bäumchen, gegen dessen Entfernung seitens der Stadt bereits protestiert und demonstriert worden war, eine Theaterstück: „Heimatlos – Die Rebstock–Linde“. Am 20. und 21. September wurde es am Ort des Geschehens aufgeführt.

ANZEIGE

Ohne Zustimmung des Gemeinderates war die Linde von der Stadtverwaltung entfernt worden. Nach Protesten erklärte Baubürgermeister Christian Kuhlmann, dass anders als beim Beschluss bedacht, nun größere Lastwagen die umliegende Geschäfte beliefere und der Baum sie darin behindere. Um ihrer Forderung, „Die Rebstock-Linde muss zurück!“ Nachdruck zu verleihen, brachten zwölf Schauspielerinnen und Schauspieler des „Theaters ohne Namen“ eine tragisch–komische Posse mit dem Titel „Heimatlos“ auf die Straße. Bei spätsommerlicher Wärme waren die Plätze am 20. September vor dem Lokal TWEETY und in direkter Nachbarschaft zur fehlenden Linde schnell besetzt, viele mussten sich mit einem Stehplatz begnügen. Peter Schmid, der den Streit um den Baum als geradezu „abderitisch“ empfindet, begrüßte die Menge mit einem Zitat aus Wielands Prozess um des Esels Schatten: „Die Sache fing, wie alle großen Weltbegebenheiten, mit einer sehr geringen Veranlassung an.“ Wer mit den Werken des Biberacher Poeten Christoph Martin Wieland (1733-1833), der damals in einer Liga mit Goethe spielte, nicht vertraut ist, sollte wissen, dass eines seiner berühmten Werke der satirische Roman “Die Geschichte der Abderiten“ war.

Schmids Posse lehnt sich sprachlich gekonnt an den großen Sohn der Stadt an. Zu Beginn kommt die Linde selbst zu Wort: „Wie sie sehen, bin ich eine heranwachsende Linde. Schlecht gepflegt und noch jung an Jahren – aber mit einer sehr bewegten Lebensgeschichte. Vor knapp einem Jahr wurde ich hier auf dem ‚Schnellen Markt‘ vor dem ehrwürdigen ‚Goldenen Rebstock‘ gepflanzt, deshalb nennt man mich die ‚Rebstock-Linde‘. Zudem bin ich ein politischer Baum, ein ‚arbor politica‘, wie Sie sogleich erfahren werden.“ Sodann spricht Schmid als Oberbiber Zeidler: „Heute, dem 16. Dezember 2019, geht es in unserer Gemeinderats-Sitzung darum, wie wir den „Schnellen Markt“ vor dem Tweety und Goldenen Rebstock umgestalten wollen. Ich bitte die Fraktionen um ihr Votum.“ Ein Schwarzer und eine Grüne streiten sich nun, für und wider Baum oder Parkraum. Nach einigem Hin und Her verkündet der OB: „Meine Damen und Herren. Erfreut, darf ich, nach langen und schwierigen Beratungen folgenden Beschluss des Gemeinderates verkünden. Am ‚Schnellen Markt‘ werden vier Pkw-Parkplätze vorgesehen. Zusätzlich wird ein Baum gepflanzt.“

ANZEIGE

Gemeinderätliche Wurzeln

Nun treten „Coolman und Friedhelm“ auf den Plan, was zu Lachern im Publikum führt, erkennt man doch dahinter Baubürgermeister Christian Kuhlmann und Einzelhändler Frieder Kolesch. Friedhelm klagt, dieser Baum schränke den Lieferverkehr ein, er müsse weg. Coolman verspricht „Das kriegen wir hin.“ Der Wirt vom Tweety und zwei Gäste beobachten, wie Coolman und Friedhelm die Linde inspizieren, die Consulentengasse abmessen und sich schließlich abklatschen.

„Wie in einer Bananenrepublik“

Der Wirt orakelt: „Glaubt mir, die haben gerade das Todesurteil für das Bäumle gefällt. In ein paar Tagen ist es weg.“ Ein Gast erwidert: „Schwätz it, nie und nimmer. Des Bäumle ist vom Gemeinderat abgesegnet und hat somit demokratische Wurzeln.“ Nun treten zwei Arbeiter mit Pickel und Schaufel auf die Bühne. In der nächsten Szene konstatiert der Wirt einem Gast gegenüber, der fragt, wo das Bäumle geblieben ist: „Hab‘ ich es dir nicht prophezeit, in ein paar Tagen ist er weg. Auch mit seinen gemeinderätlichen Wurzeln. Wohl eine konzertierte Aktion des Duo Coolman/Friedhelm.“ Der Gast wundert sich: „Dann haben die sich frech über den Gemeinderat samt dem Nobbe hinweggesetzt. Über einen demokratisch gefassten Beschluss. Wie in einer Bananenrepublik?“

ANZEIGE

Im Epilog wird beklagt: „So ist es halt in unserer Stadt, die Autos machen die Bäume platt. Aber was sagen Friedhelm und Coolman dazu?“ Friedhelm sagt: „Im vorliegenden Fall ging es nicht um die kleine Linde, sondern um deren Standort. Glauben sie mir, ich liebe Bäume.“ Auch Coolman rechtfertigt sich und erklärt: „Im Herbst kann die Linde wieder eingepflanzt werden. In der Engelgasse gibt es bereits einen Standort. Hingegen geht dies nicht auf dem Schnellen Markt, der Untergrund ist da voller Leitungen.“ Auch die Linde meldet sich noch einmal zu Wort: „Ich hab den Traum, eines Tages wieder vor dem Goldenen Rebstock zu sein – und das dortige Erdreich, in dem der Geist der freien Reichsstadt schlummert, ernährt mich und lässt mich zu einer majestätischen Linde heranwachsen. Dies nicht nur für Sie, sondern auch für die nachfolgenden Generationen.“ Zum Abschluss singen Schauspieler und Publikum zusammen das Volkslied: „Kein schöner Land in dieser Zeit, als hier das unsre weit und breit, wo wir uns finden wohl unter Linden zur Abendzeit.“ Die über zweihundert Anwesenden beklatschen diese gelungene und überaus unterhaltsame Protestaktion begeistert. Stadtkultur vom Feinsten.

Autorin: Andrea Reck



NEUESTE BLIX-BEITRÄGE

Editorial BLIX Dezember 2024

Liebe Leserinnen, liebe Leser, erleben wir dieses Jahr wirklich mal wieder „weiße Weihnachten“? Pünktlich zum Wochenende hat es geschneit. Herrlich! Nur einen Monat zu früh. Es ist November. Zuerst kommt noch der Advent, dann erst das Christkind. Bis dahin wird der Schnee im November schon längst geschmolzen sein. Aber wer weiß … Und was ist überhaupt das Faszinierende daran, sich jährlich die Frage zu stellen, ob es womöglich „weiße Weihnachten“ gibt? Es ist der Unterschied. Das „weiße Kleid…

„Dass wir frei sind“

„Zum dritten ist es der Brauch gewesen, dass man bisher behauptet, wir seien Eigenleute (Leibeigene, Anm. der Red.), was zum Erbarmen ist, in Anbetracht dessen, dass uns Christus alle mit seinem kostbaren Blutvergießen erlöst und losgekauft hat – den Hirten ebenso wie den Höchsten, keinen ausgenommen. Darum ergibt sich aus der Schrift (Die Bibel, Anm. der Red.), dass wir frei sind, und deshalb wollen wir‘s sein. (…)“ (aus: Die Zwölf Artikel – der dritte Artikel)

„Zukunft braucht Herkunft“

Baltringen – Es dauerte 460 Jahre bis das Gedenken an die Bauernrevolution von 1524/25 einen Ort in Baltringen fand. 1984 zog dort, wo bis dahin das „Leichenwägele“ im Rathaus untergestellt war, die „Erinnerungsstätte Baltringer Haufen“ ein. Schmunzelnd erinnert sich der pensionierte Geschichtslehrer Franz Liesch (76) an die Anfänge – und mit Stolz, denn es war das erste Museum in der alten Bundesrepublik, das sich der Geschichte des Bauernkriegs fortan widmete.

„Ich gehe nicht“

Bad Waldsee – Janusz Eichendorff ist Betriebsratsvorsitzender beim Wohnmobil-Bauer Hymer mit Sitz in Bad Waldsee. Vom DGB bekommt er Preise für seine Gewerkschaftsarbeit. Sein Arbeitgeber kürzt ihm das Gehalt, weil er angeblich nichts kann. 

Klimaschutz zur Erholung

Biberach – Ehe der Winter kommt, wird auf öffentlichen Flächen in Biberach emsig gepflanzt. Alleine im so genannten Grünzug am Flugplatz sind 900 Bäume fachgerecht eingegraben worden. 

Eiszeitkunst trifft auf Moderne

Tübingen/Blaubeuren – Die Universität Tübingen und das Urgeschichtliche Museum Blaubeuren präsentieren eine Ausstellung zur Gegenwartskunst im Dialog mit Funden aus dem UNESCO-Weltkulturerbe der Alb. Die Ausstellung trägt den Titel „Eiszeitwesen. Moderne Perspektiven zur Eiszeitkunst“ und wird bis zum 12. Januar 2025 zu sehen sein.

Vereinsvorstand dringend gesucht …

In der abendländischen Tradition, sei es aus Sicht der klassischen Antike oder des Christentums, gehört der persönliche Beitrag zum Allgemeinwohl zu einem sinnerfüllten Leben. Immer noch?

Kaiserschnitt als Königsweg?

Rund 690.000 Geburten gibt es in Deutschland pro Jahr. Weniger als zwei Drittel der Frauen im Krankenhaus entbinden auf natürlichem Weg. Welches sind die Gründe

Gedanken in Fetzen

„Etwas Besinnliches mit Kultur“ soll es sein. Wünscht sich der Auftraggeber. Wegen Weihnachten. Aber Redaktionsschluss ist jetzt. Am Wochenende. Also weiter im Text. Besinnlich und was mit Kultur. Die soll es dann immer richten.

Kuschelige Kaminfeuer

An Weihnachten ist es besonders anheimelnd, vor einem Kaminofen zu sitzen, in dem knisterndes Holz Wärme und Licht ausstrahlt. Aber darf man das überhaupt noch?

Bayern geht vorneweg

Bayern München bleibt nach dem 3:0 Erfolg gegen den FC Augsburg souveräner Tabellenführer. Nur RB Leipzig kann trotz einer herben 3:4 Niederlage in Hoffenheim mit den Münchnern einigermaßen Schritt halten und steht auf Platz 2 in der Tabelle. Dahinter folgen Frankfurt, die aber noch vorbeiziehen könnten, Dortmund und Leverkusen.

Neu im Kino: Wicked – Die Hexen von Oz

Fans von Ariana Grande warten seit Monaten auf die Filmadaption des Musicals „Wicked – Die Hexen von Oz“ von Winnie Holzman mit Musik und Liedern von Stephen Schwartz. Ob der Popstar das Zeug zum Filmstar hat wird sich nun zeigen. Am 12. Dezember startet der erste von zwei “Wicked” Filmen in den deutschen Kinos.

Making Of: Die Nackte Kanone (2025)

Für welchen heiss erwarteten Blockbuster haben die Dreharbeiten gerade begonnen? Wurde eine berühmte Comicbook-Figur mit einem neuem Schauspieler umbesetzt? In unserer neuen Kino-Rubrik “Making Of” verraten wir worauf sich Cineasten und Superhelden-Fans gleichermaßen freuen dürfen. Wir blicken hinter die Kulissen der kommenden Kassenschlager und wagen eine Erfolgs-Prognose.

Filmpreview: Emilia Perez

Die überqualifizierte und dennoch ausgebeutete Anwältin Rita (Zoe Saldana) vergeudet ihre Talente in Mexico, indem sie für eine große Kanzlei arbeitet, die viel besser darin ist, kriminellen Müll zu beschönigen, als der Gerechtigkeit zu dienen. 

Neu auf DVD & Blu Ray: Trap – No Way Out

Die 12-jährige Riley (Ariel Donoghue) ist ein glühender Fan der Sängerin Lady Raven. Natürlich ist das Mädchen Feuer und Flamme, als ihr Vater Cooper (Josh Hartnett) sie mit zwei Karten für ein Konzert des Popstars überrascht. Doch die gesamte Megaveranstaltung, so erfährt Cooper von einem redseligen ­T-Shirt-Verkäufer, ist eine Falle. Die Polizei habe mitbekommen, dass der „Butcher“, ein gesuchter Serienkiller, das Konzert besucht. 

ANZEIGEN

BLIX-NEWSLETTER

VERANSTALTUNGEN

ALLGÄU-OBERSCHWABEN

Leutkirch/Kißlegg – Drei Auffahrunfälle mit sechs Beteiligten haben sich am Freitagnachmittag (20.12.) auf der A 96 z…
Rötsee – Mit einer Lichtfeier beginnt der Heilige Abend um 17.00 Uhr in der Kirche in Rötsee. Das Licht von Bethlehem…
Krauchenwies – Ein schwerer Verkehrsunfall am Freitag (2.12.) kurz nach 17.00 Uhr auf der L 286 zwischen Krauchenwies…
Berlin – Im Jahr 2025 treten bei der Prüfung von Fahrzeugen, Anlagen und Produkten sowie bei der Zertifizierung und A…
Friedrichshafen – Gaming und riskanter Medienkonsum betrifft rund 25 Prozent der deutschen Bevölkerung zwischen zehn …