Bad Wurzach – Norman Fernando ist in Dawao-City auf den Philippinen geboren. Er hat das Angebot der Stiftung Hospital zum Heiligen Geist angenommen, Deutsch gelernt und sich aufgemacht in das fremde Land mit einer anderen Kultur, um Pflegefachkraft zu werden. Seit 2020 lebt, lernt und arbeitet der 24-Jährige in Bad Wurzach.
Ankommen
Womit Norman Fernando bei seiner Ankunft in Bad Wurzach nicht gerechnet hatte: Deutsch ist nicht gleich Deutsch. In seiner Heimat lernte er Hochdeutsch, um die wichtigste Voraussetzung für seinen Ausbildungsvertrag zu erfüllen. Von Dialekten war nie die Rede. Im Stift zum Heiligen Geist wurde er schon erwartet und freudig begrüßt. Die Leiterin des Hauses, Marlies Mennig, zeigte ihm seinen künftigen Arbeitsplatz, stellte ihn seinen Kolleginnen und Kollegen und den Menschen, die hier leben vor. Schon das war für den jungen Mann von den Philippinen überwältigend. „Das Schwäbische war sehr gewöhnungsbedürftig“, sagt er. Aber er habe schnell gelernt was ein „Spitzbua“ sei, ein „Schlawiner“ oder ein „Käpsele“. Erika Seible ist 86 Jahre alt und wohnt im Haus der Pflege Stift zum Heiligen Geist und versteht sich sehr gut mit dem Auszubildenden. So hilft sie ihm schon mal, wenn er allein Geschirr in die Küche bringen muss. „Ich mache das gern“, sagt sie, „dann ist mir nicht so langweilig, und mit dem Norman macht es Spaß.“ Bis vor zwei Jahren fuhr sie noch leidenschaftlich selbst Auto. Aber dann hat sie es einem ihrer fünf Enkel geschenkt. Heute fehlen ihr die spontanen Ausfahrten ins Allgäu. „Jetzt muss der Norman halt sparen und den Führerschein machen, dann fährt er mich. Das hat er versprochen.“ Die beiden teilen auch eine kulinarische Leidenschaft: die Hühnersuppe. Je mehr sie miteinander sprechen, desto näher kommen sie einander. Das ist es, was Norman an seiner Arbeit liebt und wofür er so gerne viel mehr Zeit hätte.
Arbeit in Deutschland
Als Jüngstes von fünf Kindern hat Norman Fernando in Dawao-City eine Ausbildung zum Buchhalter abgeschlossen. Aber er fand diesen Beruf langweilig und machte sich viele Gedanken darüber, was aus seinem Leben werden sollte. Eigentlich wünschte er sich eine Aufgabe, bei der er mit und für Menschen arbeiten kann. Da berichtete ihm ein Freund vom Projekt Kressbronn-Toril Education Program KTEP. Er ging zu einer Informationsveranstaltung und meldete sich auf der Stelle für den Deutschkurs an. Die Idee, dass er in Deutschland finden könne, was er sich für sein Leben vorgestellt hat, verfestigte sich. Er wusste diese Reise wird mehr als ein Abenteuer. Sie ist eine Entscheidung für eine Zukunft, von der er noch nicht wusste, was sie bringt. Er hat viel gelesen über Deutschland und befasste sich vor seiner Abreise viel mit den Sitten und Gebräuchen in dem Land, das seine neue Heimat werden sollte. Auch von Schlössern hat er gelesen. Jetzt wohnt er selbst in einem, dem Wurzacher Schloss. Davon hätte er nicht zu träumen gewagt. „Ich wohne nun in einem richtigen Schloss. Ich bin der König“, sagt er lachend. Heimweh hat er sich nur in der ersten Zeit erlaubt, dann nicht mehr: „Ich kann doch nicht gut hier arbeiten, wenn ich dauernd an zuhause denke.“ Er habe ja den ganzen Tag mit Menschen zu tun, die mal fröhlich, mal traurig, mal schlecht gelaunt sind oder Schmerzen haben, darauf müsse er sich konzentrieren, um ihnen gerecht zu werden.
Pflegeausbildung vielfältig
Die Generalistische Pflegeausbildung gefällt ihm, weil sie so vielfältig ist. Dabei freut er sich über die große Unterstützung seiner Praxisanleiterin Christin Linstedt. „Sie hilft mir sehr.“ Das mache es leicht für ihn, sich anzustrengen. Nach Ende der Ausbildung möchte er am liebsten hier im Stift zum Heiligen Geist bleiben und weiterhin im Schloss wohnen. Aber er denkt auch schon in Richtung Zukunft: „Später möchte ich noch eine Weiterbildung zum Pflegedienstleiter machen.“ Für ihn steht fest: Eine Karriere in der Altenpflege ist ein Lebensziel, das er fest im Auge hat. Richtig versteht er nicht, weshalb man in Deutschland so große Nachwuchssorgen hat: „Es ist ein so schöner Beruf. Wir sind ein tolles Team und wir dürfen für Menschen da sein.“ Dafür hat er sich gern auf den weiten Weg gemacht und möchte hier heimisch werden. Noch ein Jahr, dann wird er als examinierter Pflegefachmann seine Ausbildung abschließen und mit ihm die 19 Kolleginnen und Kollegen, mit denen er vor über zwei Jahren nach Oberschwaben kam.
Botschaft
Fragt man ihn nach seinen Wünschen jenseits des Arbeitsalltags, dann sagt er, er habe hier alles, was er braucht. Kurz wird er ernst und möchte noch eine Botschaft weitergeben: „Wir sind hier zwar Ausländer, aber wir möchten auch Freunde sein, weil wir gerne hier sind. Ihr braucht uns. Wir brauchen euch.“
Information
Seit 2019 gibt es in der Stiftung Liebenau die Abteilung „International Training und Recruiting“. Aufgabe der Abteilung ist es, Fachkräfte aus dem Ausland für die Stiftung Liebenau und die Stiftung Hospital zum Heiligen Geist zu gewinnen. Aurora Kugel, die von den Philippinen kommt und in Tettnang lebt, hat gemeinsam mit ihrem Mann KTEP, das Kressbronn-Toril Education Program gegründet. Im Zentrum des Engagements der Eheleute Kugel stehen seit 30 Jahren Bildung und Hilfe zur Selbsthilfe für die Menschen. Inzwischen haben schon etwa 60 junge Frauen und Männer seit 2019 die Deutschkurse absolviert und leben und arbeiten hier.
Informationen unter: www.stiftung-liebenau.de/karriere/aktuelles/international-training-recruiting/
Die generalistische Pflegeausbildung
Mit dem neuen Pflegeberufegesetz wurde auch in Baden-Württemberg im Jahr 2020 die neue Generalistische Pflegeausbildung gestartet. Mit der Reform der Pflegeberufe entfällt die alte Aufteilung in Alten-, Kinderkranken- oder Krankenpflege. Möglich bleibt eine Vertiefung in den Bereichen Altenpflege und Kinderkrankenpflege im dritten Ausbildungsjahr. Auszubildende können wählen, ob sie sich entsprechend spezialisieren oder die Generalistische Pflegeausbildung fortsetzen wollen. Ausführliche Informationen erhalten Sie hier: https://sozialministerium.baden-wuerttemberg.de/de/gesundheit-pflege/gesundheits-und-pflegeberufe/pflegeberufereform/umsetzung-in-bw
Quelle: Dieser Artikel erschien zuerst in „Zwischentöne“, 1/23, einer Zeitschrift der Stiftung Liebenau
Text & Foto: Heike Schiller